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Hoffnungsbrief Nr. 23

Eingang: 26.08.2020, Veröffentlicht: 26.08.2020

Hoffnungsbrief Nr. 23
Liebe Gemeinde,

vor ein paar Tagen wurde tatsächlich im Radio erwähnt, dass es nur noch 120 Tage sind bis Weihnachten. Schön. Dann können wir uns also jetzt schon seelisch drauf einstellen, dass wir uns in den nächsten Wochen erstmal durch Lebkuchen und Marzipankartoffeln kämpfen müssen, bevor wir im Supermarkt die Kasse erreichen. Irgendwie erwischt
mich das jedes Jahr auf dem falschen Fuß. Wenn die Felder gerade mal abgeerntet sind und der Winterweizen gedrillt wird, die Apfelbäume sich unter ihrer Last biegen und der Zwetschgenkuchen Einzug hält in den Bäckereien, dann bin ich innerlich noch gar nicht so weit als dass ich an Weihnachten überhaupt denken mag. Nur komme ich da gar nicht drum herum, das machen mir die Werbestrategen unserer Konsumwelt fast unmöglich. Allein schon aus Trotz ignoriere ich deshalb Weihnachten regelmäßig bis zur letzten Minute - und gerate dann genauso regelmäßig in Hektik, weil ich am Heilig Abend feststelle, dass der Tannenbaumständer verschwunden ist oder die Fondantsterne, die unverzichtbar sind auf dem Süßen Teller, bereits ausverkauft. Und alle Jahre wieder, wenn der Heilige Abend da ist, obwohl doch gestern noch gefühlt Sommer war, stelle ich fest: Die Zeit rennt.

&lquo;Die Zeit rennt.&rquo; - das denke ich auch jedes Mal, wenn ich meine Nichte Johanna sehe. Als Kind fand ich es immer schrecklich, wenn Erwachsene mich mit den Worten begrüßt haben: &lquo;Was bist du groß geworden&rquo; – aber heute empfinde ich genau das, wenn ich Johanna sehe. Ich weiß noch, wie sie als Baby auf meinem Bett gespielt hat – und jetzt habe ich ihr gerade mit einer Spedition mein Motorrad nach München geschickt, wo sie an ihrer Bachelor-Arbeit schreibt. Oft bedauere ich es, dass ich so wenig davon miterleben konnte, wie sie sich durch ihr Leben und Erleben zu der Frau entwickelt hat, die sie heute ist. Aber die Entfernung und mein begrenztes Zeitbudget haben das unmöglich gemacht. Zeit-das ist eine Größe, die im Alltag durch meinen Terminkalender verwaltet wird. Was ist zu tun, wie lange braucht`s, was schaffe ich sonst noch an diesem Tag? Auf wie viele Anfragen, privat oder beruflich, antworte ich mit: &lquo;Würd’ ich gerne - habe aber leider keine Zeit&rquo;? Nur selten mache ich mir bewusst, wie kostbar Zeit ist: ein Geschenk, verliehen eben auf Zeit und nicht auf Ewigkeit.

Aber manchmal bekomme ich eine Ahnung davon, wie wertvoll Zeit ist – wenn mir jemand erzählt von einem Menschen, den er lieb hatte und von dem er hat Abschied nehmen müssen. Dankbar für die Zeit, die sie gemeinsam hatten – oft aber auch traurig über Zeit, die vergeudet worden ist – durch Streit, durch die viele Arbeit, durch den Fluss des Lebens, in dem man sich treiben lässt von einem &lquo;Das muss jetzt sein&rquo; zum nächsten. Wie wertvoll Zeit ist, das wird mir in solchen Gesprächen schmerzlich bewusst. Wir sind oft so gefangen von unserer Vergangenheit und von den Gedanken, die wir uns über unsere Zukunft machen, dass wir den Augenblick gar nicht wirklich leben. Deshalb wünsche ich mir mehr Vertrauen ins Leben, damit mein Kopf nicht immerzu ganz woanders ist als mein Körper; damit ich bewusst da sein kann- ganz im Hier und Jetzt.

&lquo;Meine Zeit steht in deinen Händen&rquo;, so sagt es der Mensch, der den 31. Psalm geschrieben hat und Peter Strauch dichtet dazu: Meine Zeit steht in deinen Händen. Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. Du gibst Geborgenheit, du kannst alles wenden. Gib mir ein festes Herz, mach es fest in dir.

Ja, ein festes Herz wünsche ich mir-damit ich bewusst lebe und jeden Moment auskosten kann von der Zeit, die Gott mir schenkt. Und ganz ehrlich: Es ist total egal, wie viele Tage es noch sind bis Weihnachten-denn Weihnachten kommt, auch wenn ich nicht perfekt drauf vorbereitet bin-Gott sei dank.

Herzlichst, ihre Zwischenzeitpastorin
Anne-Christin Ladwig
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