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Predigt von Pastor Podszus am 1. Mai (01.05.2016)

17.05.2016

Predigt über Lk 11,5-13, Rogate, 1.5.2016 in Coppengrave

Liebe Gemeinde,
was für ein wunderbares Vorrecht ist das Beten!
Wir dürfen wir uns an Gott wenden, wie an unsern besten Freund, bei Tag und bei Nacht, zur Zeit und zur Unzeit, in Freud und Leid.

Wie oft habe ich früher mit Konfirmanden diese Geschichte nachgespielt, wie es spät abends völlig überraschend an der Tür klingelt.
Ein guter Freund steht vor der Tür… die Freude des Wiedersehens ist groß:
„Mensch, schön dich zu sehen, ist ja ne Ewigkeit her, dass du da warst.
Aber sag mal, hättest du nicht kurz ne Nachricht schicken können, dass du kommst?
Mal eben ne kurze Message?
Vermutlich war dein Akku leer, ich weiß…
Aber mein Kühlschrank ist auch leer, und zwar sooo was von leer…
Das Schwarzbrot ist vertrocknet, das Weißbrot leider etwas verschimmelt…
Der kleine Netto auf der andern Straßenseite, der immerhin bis neun geöffnet hat, der hat auch schon geschlossen…
Aber warte, ich gehe mal zu meinem Freund nebenan… Zu guten Freunden darf man ja immer kommen…
Aber wem sag ich das… …

Gesagt getan, es ist kurz vor Mitternacht, als er bei seinem besten Freund in der Nachbarschaft klingelt…
Doch nichts passiert… Er klingelt noch mal, und noch mal, noch immer rührt sich keine Tür.
Schließlich klopft er an die Tür, und dann noch ans Fenster…
Hoffentlich wachen die Kinder nicht auf, die müssen schließlich morgen früh zur Schule…
Endlich… endlich hört er Schritte im Innern des Hauses, das Licht geht an, und die Haustür öffnet sich…
Komm doch rein, alter Freund…
Seit wann bist du Schlafwandler?
Oder ist was ist passiert?
Muss ich mir Sorgen machen?
Fehlt dir was? Kann ich dir helfen?
Bist du in Not?
Hast du ein Problem?
Gibt es etwas, das ich wissen sollte?

Soviel Freundlichkeit und Verständnis schlägt ihm entgegen…
Mehr noch als er selber seinem überraschenden Gast entgegen gebracht hat…
Er kommt gar nicht dazu, ausführlich zu erzählen oder sich gar zu entschuldigen…
Immerhin bringt er zum Ausdruck, dass ihm das Ganze doch ganz schön peinlich ist…
Doch bei dem Wort „peinlich“ wird der Freud richtig unwirsch, unterbricht ihn streng und sagt:

„Sind wir nun Freunde oder nicht…?!
Hier hast du ein Brot, gerade heute frisch gebacken…
Und da ist noch ein geräucherter Schinken…
Und der Käse da, den kannst du auch noch mitnehmen…
Und hast du eigentlich was zum Trinken? Ich habe da noch ein edles Tröpfchen Rotwein, nimm den auch noch mit… und wohl bekomm‘s…
Lasst es euch gut gehen…“
Und ich denke, das haben die beiden dann auch getan.

Ja, solche Geschichten hat Jesus erzählt, mitten aus dem Leben gegriffen.

Er erzählt sie seinen Jüngern, um ihnen Mut zu machen, Gott zu vertrauen, und sich vertrauensvoll an ihn zu wenden, wie an einen liebenden, fürsorglichen Vater.
Oder auch, wie in diesem Falle, wie an einen guten Freund!

Kurz bevor Jesus diese Geschichte erzählt hat, haben sich seine Jünger an ihn gewandt mit der Bitte:
„Herr lehrte uns beten!“
Denn sie spürten, dass Jesus eine Kraft aus dem Gebet gewonnen hat, die ihnen selber noch fremd war.

Aber sie hatten eine Sehnsucht, hatten ein Verlangen, das Beten zu lernen, wenn man es denn überhaupt lernen kann.
Und da gab Jesus ihnen zunächst das Vaterunser, als kleine Schule des Gebets.
Und wie vielen Menschen ist das Vaterunser eine Hilfe geworden zu beten.
Ich höre oft in Trauergesprächen, dass die Großmutter oder der Großvater vor dem Schlafengehen immer noch das Vaterunser gebetet haben.
Das kann eine große Hilfe sein, den Tag abzuschließen oder auch morgens zu beginnen.

Und jeder hat da vielleicht seine ganz besondere Lieblingsbitte oder auch seinen ganz besonderen Lieblingsseufzer:
„Dein Reich komme!“ oder: „Dein Wille geschehe!“
Und manch einer buchstabiert immer wieder an dem Satz: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern!“

Also - das Vaterunser ist wirklich ein wunderbares Gebet.
Ein „Schlüssel am Morgen“, der den neuen Tag aufschließt…
Und ein „Riegel am Abend“, der den Tag abschließt.

Und doch fügt Jesus unmittelbar an das Vaterunser diese Geschichte an von dem „bittenden Freund“, so als wollte er sagen:

Nichts gegen das Vaterunser, nichts gegen ein auswendig gelerntes Gebet.
Aber echtes Beten ist immer Herzenssache!

Kein Mensch käme auf die Idee, seinem Freund oder seiner Freundin ein Gedicht aufzusagen:

„Hör mir mal zu. Mein liebster Schatz,
in meinem Kühlschrank ist viel Platz…
Ich bitte dich, mir zu verzeihen,
doch kannst du mir ein Brot mal leihen.
Das Ganze ist mir ziemlich peinlich,
ich geb‘s zurück… demnächst… wahrscheinlich.
Und wenn du selbst mal bist in Not,
helf ich dir aus mit meinem Brot…“

So spricht man nicht mit einem Freund oder seiner besten Freundin.
Da darf man auch mal mit der Tür ins Haus fallen…
Die beste Freundin hört es sowieso schon an der Stimme, dass da was nicht stimmt…

Und so dürfen wir auch an Gott uns wenden, wie an unsern besten Freund.
Wir müssen dabei nicht darauf achten, dass wir schöne Worte machen, sondern dürfen einfach das sagen, was oben aufliegt, das, was wir auf dem Herzen haben.
Er ahnt es ohnehin schon was wir brauchen.
Viele Worte sind dabei nicht nötig.

Da wenn wir dieser Geschichte von dem bittenden Freund genau zugehört haben, dann ist es uns sicher nicht entgangen:
Er hat doch eine ganze Weile klingeln und klopfen müssen, bis ihm dann schließlich aufgetan wurde.

Und genauso scheint auch unser Beten zunächst vergeblich zu sein.
Haben wir das nicht alle auch schon erlebt:
Immer wieder haben wir gebetet, immer wieder haben wir etwas erbeten, immer wieder haben wir Gott in den Ohren gelegen, und nichts scheint zu geschehen.

Hört Gott uns denn nicht immer?
Und er-hört er unser Gebet nicht immer?

Meinen Konfirmanden erkläre ich das Beten oft mit einer Ampel:
Manchmal steht die Ampel in der Tat auf „rot“, und es ist wirklich so, dass Gott unser Gebet nicht erhört.
Vielleicht, weil wir etwas unvernünftiges Beten, vielleicht, weil es nicht wirklich gut für uns ist.
Und manchmal steht die Ampel auf „gelb“, und wir müssen lernen zu warten.
„Lerne warten, denn entweder ändern sich Dinge, oder es ändert sich dein Herz!“
Dieser Spruch stand viele Jahre auf einem Poster an der Tür meines Amtszimmers, und wie oft ist mein Blick darauf gefallen.
„Lerne warten, denn entweder ändern sich Dinge, oder es ändert sich dein Herz!“
In solchen Zeiten steht die Ampel auf „gelb“.
Alles hat seine Zeit, und Gottes Zeit ist einfach noch nicht gekommen.
Aber dann springt die Ampel Gott sei Dank immer wieder auch auf „grün“.
Und wir erkennen, wenn auch manchmal erst im Rückblick:
Ja, Gott hat geholfen, ja, er hat das Gebet erhört.
Vielleicht ein wenig anders als wir es uns vorstellten, aber doch: erstaunlich und wunderbar!

Dietrich Bonhoeffer hast einmal gesagt:
„Manchmal erhört Gott unsere Gebete auch gegen unsern Willen.“

Und darum sagt Jesus nicht: „Wenn ihr genug betet, wird Gott alle eure Wünsche erfüllen, genau so, wie ihr euch das wünscht…“
Sondern er sagt am Schluss seiner Geschichte erstaunlicherweise den Satz:
„Gott wird euch seinen Geist geben…“
Das heißt:
Ihr werdet mit Gott zusammenstimmen in dem gemeinsamen Weg.
Ihr werdet die Kraft und die Einsicht finden, die ihr braucht.

Denn was wir selbst uns wünschen und für richtig halten - ist das wirklich unbedingt… das Beste?
Wieviel Einsicht in unser Leben haben wir denn, dass wir sagen könnten: dies ist jetzt für mich das Richtige?
Wieviel Einsicht in das Leben anderer haben wir denn, dass wir sagen könnten: dies ist jetzt für ihn oder für sie das Richtige?

Jemand hat einmal gesagt:
"Wenn ich wüsste, wenn ich sicher wüsste, dass alle meine Wünsche und alle meine Bitten von Gott prompt erfüllt würden, ich würde von Stund an nicht mehr beten…
Es wäre mir himmelangst, was daraus würde.
Gott weiß tausendmal besser als ich, was für mich gut ist."
Beten bedeutet letztendlich nichts anderes als, sein Leben in die Hände Gottes zu legen und zu vertrauen, dass er das Gute tut.
Beten heißt, auch auf rätselhaften Wegen nicht allein zu sein.
Beten heißt erfahren, dass Gott seine eigenen Vorstellungen für unser Leben hat.
Manchmal gefallen sie uns nicht, aber sie stellen sich dann doch als sinnvoll heraus.
Und manchmal ist das Beten wie ein Einhüllen in eine weiche, warme Decke:
Aller Druck und alle Spannung lösen sich auf, und ich bekomme wieder Mut und Kraft für den nächsten Schritt.
Ich spüre eine Kraft und eine Geduld in mir wachsen, die ich gar nicht mehr für möglich gehalten hätte.

Erst in den vergangenen beiden Wochen habe ich mit den Konfirmanden über das Beten gesprochen und habe sie gebeten, von ihren eigenen Erfahrungen zu erzählen.

Und es war sehr bewegend ihnen zuzuhören.

Sie erzählten von Zeiten, als die Eltern sich getrennt haben…
oder davon, als der Großvater gestorben ist…
oder von Zeiten und Augenblicken, als es bei Familienangehörigen buchstäblich um Leben und Tod ging.
Ja, in solchen Zeiten, da braucht man keine Unterweisung, wie man denn beten soll.
Da braucht man kein Handbuch, in dem man nachschlagen kann, was zu tun ist…
Da wirft man Gott all das einfach vor die Füße, was uns bedrückt und belastet und beschwert.

Ich kann das auch aus meinem eigenen Leben sagen, dass meine Gebete in Krisenzeit immer viel ehrlicher und echter und lebendiger gewesen sind als in Zeiten, wo alles so seinen Gang ging.

Aber noch einmal zurück zu meinen Konfirmanden:
Da wir, zumindest mit der einen Gruppe, draußen in der Sonne vor der Kirche saßen, passierte es, dass ab und zu mal jemand vorbei gekommen ist.
Das heißt, an uns ist kaum jemand vorbei gekommen…

Denn wir haben sie alle kurzerhand zu uns hergewinkt und gefragt, ob sie denn bereit sind, auf ein paar Fragen zu antworten, zum Thema „Gebet“.
Und da war es dann total spannend, wie die dreizehnjährigen Kids die drei schon etwas älter Gemeindeglieder interviewten, die schon viele Jahrzehnte länger Erfahrungen mit dem Gebet gemacht haben…
Und wie gut, dass alle drei auch wirklich etwas zu erzählen hatten, angefangen von der stillen Zeit am Morgen bis hin zu Gebet am Abend.
Ja, so können auch ältere und alte Menschen den Jüngeren zum Segen werden, indem sie ihnen ihre Erfahrungen mit dem Gebet weitererzählen.

Vor allem aber können auch alte Menschen zum Segen werden, indem sie für die die jungen Menschen – beten.
Amen.